An der L536 kurz vor Wilhelmsfeld liegen die beiden Hesselbrunnen. Während der obere am Forsthausweg schon seit langer Zeit geschlossen ist und kein Wasser mehr liefert, ist der untere an der Hesselbrunner Fichte sehr beliebt. Sein Wasser soll besonders gut sein, viele Menschen holen sich daher das Quellwasser gleich Flaschen- und Kanisterweise.
Doch damit ist es vorerst vorbei, die Stadt Schriesheim hat den unteren Brunnen geschlossen und zubetoniert. Sie hat viele Gründe für das Schließen der Quelle, wie Kämmerer Volker Arras auf Anfrage erklärt. Einer der wichtigsten soll die Wasserqualität sein: Die Mangan- und Aluminiumwerte des Quellwassers sollen gemäß der Stadt die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung zum Teil um das hundertfache überschritten haben. „Das Quellwasser ist kein Trinkwasser“, fasst Arras die Messergebnisse zusammen. Da die Stadt Schriesheim dafür zu sorgen hat, „dass ein argloser Wasserholer nicht geschädigt wird“, sah sich die Stadt zu der Schließung gezwungen.
Heidelberger Studie warnt vor zu hohen Aluminiumwerten
„Aluminium ist für den Menschen giftig“, schrieben schon 2004 die beiden Wissenschaftler Dieter Teufel und Patra Bauer vom Heidelberger Umwelt- und Prognose-Institut (UPI) in einem Beitrag über die Wasserqualität der Quellen im Gebiet des Heiligenberg zwischen Heidelberg, Schriesheim, Wilhelmsfeld und Ziegelhausen: Auch sie konnten in vielen Quellen in dieser Gegend deutlich erhöhte Aluminiumkonzentrationen nachweisen und raten seitdem davon ab, dieses Quellwasser in größeren Mengen zu trinken. Eine erhöhte Aufnahme von Aluminium im Trinkwasser kann zu Alzheimer-Erkrankungen führen. Auch für die Tiere ist das Quellwasser giftig, in den von den Quellen gespeisten Bächen konnten die Forscher seit einigen Jahren ein massives Tiersterben beobachten.
Ursache für die hohen Aluminiumwerte und das Tiersterben ist gemäß der Untersuchungen der saure Regen: Der Buntsandstein des Odenwaldes kann die durch Niederschläge eingetragene Säuremengen nicht mehr neutralisieren, das Regenwasser tritt als säurehaltiges Quellwasser wieder an die Oberfläche. Gleichzeitig kommt es zu chemischen Reaktionen im Boden, wodurch giftiges Aluminium aus dem Sandstein gelöst und mit dem Quellwasser ausgewaschen wird. Wie die UPI-Messungen im Gebiet des Heiligenberges ergeben haben, liegen die Aluminiumkonzentrationen im Maximum bis zu 18fach über den zulässigen Werten.
Zweifelhafte Schriesheimer Messwerte und verschwundene Akten
Gemäß den Angaben der Stadt Schriesheim soll der Aluminium-Grenzwert des Hesselbrunnens gleich um das hundertfache überschritten worden sein, das wäre eine extrem hohe Abweichung von den maximal 18fachen UPI-Messergebnissen. Demnach wären in dem Brunnenwasser 20 Milligramm Aluminium pro Liter enthalten, der Brunnen wäre letztlich hochtoxisch. Das ist er aber nicht, vielmehr könnten die Schriesheimer Angaben nicht stimmen.
Doch verifizieren kann Arras die vorgelegten Zahlen auch nicht: Die jüngst angegebenen Werte sollen aus einer vor etwa zehn Jahren von ihrem Vertragslabor durchgeführten Quellwasseruntersuchung stammen, wie er auf Nachfrage erklärt. Und außer der Aussage, dass die gemessenen Werte um das hundertfache über dem Grenzwert liegen sollen, kann Arras hierzu keine detaillierten und belastbaren Zahlen nennen: „Ich habe keine aktuellen Werte und die alten Akten sind nicht greifbar, eventuell sind sie vernichtet worden, weil sie nicht historisch relevant sind.“
Messwerte liegen konstant unter dem Grenzwert – nicht 100fach darüber
Der Schriesheimer Umweltbericht von 2004 erwähnt auf Seite 222 nur „relativ hohe“ Mangan- und Aluminiumwerte der beiden Hesselquellen, die im Zuge einer Wasseranalyse von Altdeponie-Untersuchungen durchgeführt wurden – eine Überschreitung von Grenzwerten ist jedenfalls nicht genannt. Da die Wasserqualität an den Brunnen aber generell nicht getestet wird, muss ein Schild darauf hinweisen, dass es sich bei dem Quellwasser nicht um Trinkwasser handelt, wie es in dem Bericht weiter heißt.
Angaben zu den heute angeblich nicht mehr greifbaren Schriesheimer Quellwasseruntersuchungen finden sich in der Grünen Eule, dem Mitteilungsblatt der Grünen Initiative Wilhelmsfeld. In der Ausgabe vom April 2009 werden auf Seite 11 die Ergebnisse der Schriesheimer Untersuchungen vom November 2008 besprochen. Demnach wird das Wasser des oberen Hesselbrunnen als „gefährlich“ bezeichnet, es enthält „zehnmal mehr Aluminium und Mangan als nach der Trinkwasserverordnung zugelassen ist.“ Diese Angaben für den oberen Brunnen kann auch Teufel vom UPI bestätigen: „Unsere früheren Messungen zeigten Aluminiumwerte im Bereich von 2-3 mg/l“, das wäre zehnmal mehr Aluminium als der Grenzwert von 0,2 Milligramm pro Liter zulässt.
Doch die Gefährlichkeits-Warnung bezieht sich nur auf den oberen Hesselbrunnen, vor dem unteren Hesselbrunnen (das ist der jüngst zubetonierte Brunnen) wird in der Besprechung nicht gewarnt, er wäre demnach also nicht gefährlich. Gemäß der Grünen Eule soll die Schriesheimer Untersuchung für den unteren Brunnen „nur schlechte Manganwerte“ ergeben haben – das zentrale Wort hierbei ist „nur“: Wenn „nur“ die Manganwerte schlecht sind, wären die fraglichen Aluminiumwerte in der damaligen Messung gut gewesen und hätten unter dem Grenzwert von 0,20 Milligramm pro Liter gelegen. Von einer hundertfachen Überschreitung der Grenzwerte ist auch in dieser Publikation keine Rede.
Eine privat in Auftrag gegebene Quellwasseruntersuchung nach der Trinkwasserverordnung, durchgeführt vom Mannheimer Labor Limbach Analytics GmbH im September 2018, liefert für den mittlerweile zubetonierten unteren Hesselbrunnen ähnliche Ergebnisse, wie sie offenbar schon 2008 von der Stadt Schriesheim gemessen wurden: Das Labor analysierte 2018 einen Aluminiumwert von 0,19 Milligramm pro Liter Quellwasser – der Wert liegt damit unter dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung. Bei den Metallen überschreitet lediglich Mangan mit 0,094 Milligramm pro Liter den Grenzwert von 0,050 Milligramm um knapp das doppelte.
Die 2008 und 2018 analysierten Werte wären demnach über zehn Jahre hinweg konstant geblieben. Eine solche Beobachtung bestätigt auch Dieter Teufel vom UPI: „Der durch den sauren Regen angerichtete Schaden ist irreversibel, die Werte ändern sich nicht mehr.“ Die durch die Luftverschmutzung der Vergangenheit zerstörten chemischen Puffersysteme im Boden bleiben auch in Zukunft zerstört.
Aus dem guten Brunnen macht Schriesheim einen giftigen Brunnen
Erhöhte Manganwerte sind längst nicht so gesundheitsgefährdend und toxisch wie erhöhte Aluminiumwerte, der untere Hesselbrunnen wäre also ein eher guter Brunnen. Mit der Schließung des guten Brunnens aber wird der „Wassertourismus“, wie Arras das organisierte Abzapfen des Quellwassers bezeichnet, jedoch nicht abgestellt, sondern nur verlagert.
Die Wassertouristen steuern neuerdings als Alternative den ebenfalls leicht mit dem PKW erreichbaren Brunnen zwischen Wilhelmsfeld und Ziegelhausen an der L596 an. Der war schon immer bei den Wasserholern beliebt, doch so frequentiert wie seit der Schließung des Hesselbrunnens war der noch nie, wie neuerdings zu beobachten ist: Bisweilen ist der Parkplatz mit Wartenden komplett belegt.
Doch ausgerechnet dieser Brunnen gehört zu den giftigsten, dort wurden vom UPI die schlechtesten Aluminiumwerte aus dem ganzen Heiligenberg-Gebiet gemessen: Eben jene 18fachen Grenzwertüberschreitungen. Mit der Schließung des guten Hesselbrunnens und der Verlagerung zum giftigen Brunnen fördert die Stadt Schriesheim letztlich den Konsum von giftigem Quellwasser. Mit diesen neuen Tatsachen konfrontiert weicht Arras auf Nachfragen aus und schiebt die Verantwortung nur nach Heidelberg: „Da ist die Stadt Heidelberg in der Pflicht.“
Es geht gar nicht um Aluminium, es gibt internen Streit
Da hat er zwar recht, denn die Quelle liegt tatsächlich auf Heidelberger Gemarkung. Aber die fehlende Weitsicht, das weiterhin nicht gelöste sondern nur auf die Nachbargemeinde verlagerte Problem des Wassertourismus und das mit dem Abstellen der guten Quelle in Kauf genommene vergiften der Wasserholer, die als letzte und einzige Alternative nur noch die giftigste Quelle zur Verfügung haben, ist auch ein Zeichen, dass es der Schriesheimer Verwaltung gar nicht um das Wohlergehen der Wassertouristen geht, mit der sie die Schließung des Hesselbrunnen rechtfertigt.
Dass die Verwaltung zudem bewusst falsche Zahlen kommuniziert und Fakten verdreht sowie relevante Akten plötzlich nicht mehr greifbar sein sollen, legt den Verdacht nahe, dass die Akten möglicherweise bewusst unter Verschluss gehalten gehalten werden und bewusst nicht greifbar sein sollen. Denn in den Akten steht mit ziemlicher Sicherheit etwas völlig anderes als das, was die Stadt Schriesheim heute kommuniziert: Nämlich dass der Hesselbrunnen am Ende gar nicht so giftig ist, wie die Stadt behauptet.
Und darum geht es letztlich: Es geht nur alleine um den Brunnen, um den es schon lange internen Streit gibt, den die Wassertouristen jetzt ausbaden müssen. In dem Streit schafft die Stadt Schriesheim Tatsachen, lässt den guten Hesselbrunnen zubetonieren und erklärt ihn zum giftigen Brunnen. Dabei ist der Hesselbrunnen tatsächlich ein guter Brunnen, er ist nur politisch vergiftet.
Teil 2: Schriesheim ist verantwortlich für zertrampelten Wald, gestörtes Wild und Gift im Brunnen.