„Das ist das beste Wasser“, schwärmt Kemal Hodzic von dem unteren Hesselbrunnen bei der Hesselbrunner Fichte, der auf Schriesheimer Gemarkung kurz vor Wilhelmsfeld liegt: „Seit 1969, als ich nach Deutschland kam, trinke ich nur dieses Wasser, und meine Kinder und meine sechs Enkelkinder trinken auch nur dieses Wasser.“ Egal ob als Teewasser oder für den großen Durst nach schwerer Arbeit: „Es gibt nichts besseres“, so Hodzic, „das ist bestes und gesundes Wasser, sie werden nichts besseres finden.“
Die Stadt Schriesheim sieht das etwas anders und ließ den Brunnen jüngst zubetonieren: Angeblich sollen die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung zum Teil um das hundertfache überschritten worden sein. Doch diese Aussage der Schriesheimer Verwaltung ist falsch, wie schon im ersten Teil des Beitrags dargestellt wurde.
Auch weitere Gründe für die Schließung sind nicht nachvollziehbar
Die Wasserholer würden „im Wald herumtrampeln, die Naturverjüngung (nachwachsende Bäume) schädigen und das Wild in seinen Ruhezonen massiv stören“, wie Schriesheims Kämmerer Volker Arras die Entscheidung zur Brunnenschließung mit weiteren Argumenten untermauert. Er spricht ferner von „Menschenansammlungen, die Abstandsregeln und Maskenpflicht nicht einhielten, den Wald zertrampelten und Schmutz hinterließen, vor allem an Wochenenden.“ Den Hesselbrunnen bezeichnet Arras aus den genannten Gründen mittlerweile als „Brennpunkt.“
Hodzic kann die Argumentationen von Arras nicht nachvollziehen: „Die Quellen liegen direkt an der Straße, da stören wir kein Wild, das sind gar keine Ruhezonen.“ Wenn am Wochenende die Luft im Tal von hunderten von knatternden Motorrädern erfüllt ist, dann kann er verstehen, wenn Tiere gestört werden. Und auch die Beeren- oder Pilzsammler sieht er als ein Problem für die Tiere an, wenn die Sammler tief im Wald die Wege verlassen. Und die Ausflügler sowieso, die schon bei der ersten Laubfärbung und den ersten Schneeflocken den Weißen Stein zu tausenden stürmen und die Infrastruktur zusammenbrechen lassen, so dass die Polizei die Gegend regelmäßig sperren muss. „Die sind viel mehr das Problem“, sagt Hodzic: „Das sind die, die besonders am Wochenende für Ärger sorgen.“
Schriesheim kümmert sich nicht um die Quellen
Die Stadt Schriesheim ist in seinen Augen das wirkliche Problem, in dem sie die Tatsachen verdreht: Er verweist als Beispiel auf die “Kein Trinkwasser” – Schilder, die die Stadt an der Hesselquelle angebrachte um vor dem Konsum des vermeintlich kontaminierten Wassers zu warnen: „Das ist auch richtig so“, wie Hodzic sagt, „jeder soll selber entscheiden, was er mit dem Wasser macht.“ Nach Angaben der Stadt aber sollen die Schilder immer wieder zerstört und entwendet worden sein. Hodzic schüttelt auch da wieder nur den Kopf: „Aber das stimmt nicht. Das Schild hängt schon lange an der Quelle, das hat niemand geklaut.“
Dort hängt tatsächlich ein solches Schild. Und es hängt schon sehr lange dort, wie der Rost an dem Schild leicht erkennen lässt. Auch die Schrift zeigt deutliche Verwitterungsspuren und ist kaum mehr zu erkennen und lesbar. „Das Schild müsste mal erneuert werden“, sagt Hodzic an die Adresse der Stadt, “aber geklaut ist das nicht.”
Und genau das ist das Problem, um das es geht: „Schriesheim kümmert sich nicht um die Quellen, das müssen andere machen. Die Stadt hat sich noch nie um die Quellen gekümmert.“ Das organisierte Abzapfen des Quellwassers mit den angeblichen Menschenansammlungen sei den Schriesheimern zudem schon lange ein Dorn im Auge gewesen, so sein weiterer Vorwurf an die Stadt. Der Vorwurf könnte schon fast historisch sein, denn immer, wenn in der Vergangenheit andere sich in großem Stil an dem Quellwasser der Hesselquelle bedienen wollten, reagierte Schriesheim verärgert und es gab Streit.
Bis hin zur Enteignung: Die Hesselquelle war schon immer begehrt
Vor mehr als 120 Jahren, im Jahre 1898, gab es vermehrte Klagen im Oberdorf von Wilhelmsfeld über zu wenig Wasser in den Brunnen. Zusammen mit der Großherzoglichen Kulturinspektion verfolgte die Wilhelmsfelder Gemeindeverwaltung daher den Plan, die üppig schüttende Schriesheimer Hesselquelle an der Hesselbrunner Fichte zur eigenen Wasserversorgung zu nutzen. Doch Schriesheim stoppte die Wilhelmsfelder Pläne und weigerte sich, die Hesselquelle den Wilhelmsfeldern zur Verfügung zu stellen.
Es kam zu einem Rechtsstreit, in dem auch das Innen- und Staatsministerium involviert waren. Letztlich musste Schriesheim auf Erlass des Großherzogs Friedrich I. von Baden die Quelle an Wilhelmsfeld abtreten. Seit 1902 versorgte die Hesselquelle über einen Hochbehälter Wilhelmsfeld mit Wasser, die Bewohner des Oberdorfes sollen mit der neuen Situation zufrieden gewesen sein.
Zu dieser Zeit muss es an der Hesselquelle an der Hesselbrunner Fichte auch schon einen Brunnen gegeben haben. In botanischen Schriften aus jener Zeit findet sich der Hinweis zu dem „bemerkenswerten Hesselbrunnen“ zwischen dem Weißen Stein und dem Schriesheimer Hof. Nur was den Brunnen damals schon (nicht nur für Wilhelmsfelder Bürger) so bemerkenswert machte, ist nicht genannt.
Eine Wohltat: Als aus der Quelle wieder ein Brunnen wurde
Doch von dem Brunnen war knappe 70 Jahre später nicht mehr viel übrig, wie sich Hodzic erinnert: „Da war nur so ein Teich, die Quelle und der Bach.“ Das war 1971, da war er gerade erst zwei Jahre in Deutschland. Er hatte damals ehrenamtlich mitgeholfen, einen neuen Hesselbrunnen direkt am Weg und Parkplatz zu bauen. „Immer samstags haben wir gearbeitet“, so seine Erzählungen. Es wurde gemauert und ein Kanal angelegt, denn die Quelle entspringt im Wald ein paar Meter weiter oberhalb des neuen Brunnens. Und selbst noch das Rohr unter dem Weg haben sie verlegt, so dass das überschüssige Quellwasser und das Bachwasser erosionsfrei abfließen können. Aus der Quelle wurde wieder ein Brunnen mit schöner Inschrift und der eingemeiselten Jahreszahl 1971.
„Ich wollte helfen“, berichtet Hodzic, damit die Quelle mit dem neuen Brunnen nicht nur praktisch, sondern auch noch schön ist. Während sich die einen darüber freuten, fällt der Rückblick der Schriesheimer Verwaltung auf den Ausbau der Quelle etwas anders aus: „Damals war man sich der Auswirkung einer gefassten Quelle und der Nebenwirkungen des Wassers wohl nicht bewusst.“ Jedenfalls begann damals am unteren Hesselbrunnen der Wassertourismus, wie Arras das organisierte Abzapfen des Quellwassers bezeichnet.
Wilhelmsfelder Bürger sanieren Schriesheimer Brunnen
Viel Wasser lief seit dem nicht mehr nur in den Bächen talwärts, sondern insbesondere auch in Flaschen und Kanister der Wasserholer. Die Erosion und auch der Zahn der Zeit nagten an den beiden Hesselbrunnen, die immer mehr verfielen, da die Stadt Schriesheim als Eigentümer der Brunnen nichts zur Instandhaltung unternahm.
Im April 2012 wurde der obere Hesselbrunnen am Forsthausweg saniert. Allerdings nicht von der Stadt Schriesheim, auf dessen Gemarkung der Brunnen eigentlich liegt, sondern von 15 engagierten Bürgern aus Wilhelmsfeld, die sich im Zuge der Wilhelmsfelder Zukunftskonferenz ein schöneres Bild am Ortseingang ihres Luftkurortes wünschten. Auch wenn Schriesheim nicht viel zu dem sanierten Brunnen beigetragen hat, aber zur Fertigstellung und Präsentation der neuen Anlage kam Schriesheims Bürgermeister Hansjörg Höfer zu Besuch und mit auf das Presse- und Erinnerungsfoto.
Derweil verfiel der untere Hesselbrunnen an der Hesselbrunner Fichte immer mehr. „Ich hatte viele Gespräche mit der Stadt Schriesheim, dass auch der untere Brunnen saniert und repariert werden soll. Aber die haben nicht reagiert“, wie sich Hodzic an die Zeit erinnert: „Es war matschig und man hat nasse Füße bekommen, wenn man Wasser holte“, in solch schlechtem Zustand war die Brunnenanlage.
Ohne Eigeninitiative tut sich nichts an den Schriesheimer Brunnen
Nachdem die Stadt Schriesheim weiterhin nicht reagierte und sich für die Sanierung nicht zuständig fühlte, trat Hodzic mit einer Alternative an die Stadt heran: Er selber finanziert und saniert die Quelle und den Brunnen. Erfahrungen hatte Hodzic ja, nicht nur vom Bau des Brunnens aus dem Jahre 1971, sondern auch von seiner beruflichen Arbeit: Er leitete in Edingen-Neckarhausen eine Firma für baugewerbliche Spezial- und Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit.
Es folgten mehrere Gespräche mit dem Bauamt der Stadt Schriesheim und schließlich kam Anfang 2017 von den Mitarbeitern Mayer und Jakob die mündliche Zusage, dass Hodzic mit der Sanierung beginnen könne. „Wir haben erst mal die alten Steine wieder aus dem Bachbett geholt um den Brunnen so weit es ging wieder im ursprünglichen Zustand herzustellen. Selbst verloren geglaubte Teile des Sandstein-Namensschild haben wir wieder gefunden.“ Darüber hinaus wurde die Mauer neu gefasst, ein zweites Rohr mit Ausfluss und ein Überlaufschutz verlegt, rechts und links des Brunnens wurde mit Florwallsteinen der Hang gesichert sowie noch der ganze Vorplatz des Brunnens weiträumig gepflastert und fachmännisch gesäumt. Und zuletzt wurden die Florwallsteine noch bepflanzt.
Carina Mayer vom Bauamt kam hin und wieder mal vorbei und überzeugte sich vom ordnungsgemäßen Fortgang der Arbeiten: „Wir hatten keine Probleme, es war ja alles professionell ausgeführt“, wie Hodzic berichtet. Im Juli 2017 waren die Arbeiten fertig, 12.000 Euro hatte Hodzic dafür investiert, doch dafür sah der Brunnen und die ganze Anlage wieder wie neu aus. Und Hodzic sorgte auch danach noch dafür, dass die Anlage weiter gepflegt wurde, er ersetzte immer wieder verschwundene Pflanzen sowie zerstörte oder beschädigte Steine.
Schriesheim fordert Rückbau des sanierten Brunnens und verhängt Geldstrafe
Mehr als ein Jahr nach der Sanierung kam dann die Überraschung: Am 22. September 2018 meldete sich Kämmerer Arras bei Hodzic und teilte ihm telefonisch mit, dass „Baumaßnahmen in unserem Wald nicht gestattet sind.“ Die Quelle sei Eigentum der Stadt Schriesheim, Aufschüttungen und Bepflanzungen seien nicht gestattet. Hodzic wurde per Schreiben am 11. Oktober 2018 von Schriesheims Bürgermeister Höfer zudem aufgefordert, die „rechtswidrig errichtete Anlage innerhalb einer Woche zurückzubauen.“
Am 26. Oktober schrieb Bürgermeister Höfer erneut und setzte eine Nachfrist: Sollte die Anlage bis Fristende nicht entfernt und der „ursprüngliche Zustand [sic!] wieder hergestellt“ sein, „werden wir ein Unternehmen beauftragen, dies auf Ihre Kosten zu tun.“ Gemäß der Stadt vorliegender Kostenschätzung kämen dann etwa 6.000 Euro Rückbaukosten auf Hodzic zu. „Wir weisen Sie außerdem darauf hin, dass wir nach §83 Landeswaldgesetz für die unbefugt vorgenommen Aufschüttung im Wald ein Bußgeld von 1.500 Euro verhängen werden.“
Hodzic verstand die Welt nicht mehr: „Ich hätte in Äthiopien einen Brunnen bauen sollen, dort hätte man sich mehr gefreut“, so sein Kommentar zur Schriesheimer Dankbarkeit über sein finanzielles und zeitliches Engagement. Jedenfalls hat er den Brunnen nicht zurück gebaut. Und auch Schriesheim unternahm zunächst keine weiteren Schritte: „Wir haben die angedrohten Maßnahmen nicht weiter verfolgt“, erklärte Arras jüngst zum aktuellen Stand der Auseinandersetzung.
Schriesheim ist verantwortlich für zertrampelten Wald, gestörtes Wild, Müll und das (politische) Gift im Wasser
In einem Punkt jedenfalls hat Hodzic auf die Schriesheimer Androhungen reagiert: Er hat sein Engagement für die Instandhaltung und die Pflege der Brunnenanlage eingestellt. „Bis dahin haben wir immer wieder Müll eingesammelt und geschaut, dass alles in Ordnung ist.“ Aber seit Hodzic das nicht mehr macht, macht es keiner mehr. Auch die Stadt Schriesheim nicht oder nur ganz sporadisch.
„Es tut mir weh, dass bei alle dem, was wir hier saniert und geleistet haben, wir uns jetzt anhören müssen, dass der Brunnen giftig sei, wir Müll hinterlassen und den Wald zertrampelt haben. Das stimmt alles nicht.“ Basierend auf falschen und widersprüchlichen Gründen hat die Stadt Schriesheim den Brunnen nun geschlossen. Kurz darauf haben ihn hartnäckige Wasserholer wieder in Betrieb genommen und eine alternative Plastikrohrleitung verlegt. Doch auch das hat die Stadt Schriesheim unterbunden und den Quellkopf mit Beton fest verschlossen.
Der Brunnen mag versiegt sein, aber die Quelle sprudelt weiter. Und während einige Wasserholer alternative Quellen anfahren, kommen viele auch weiterhin zur Hesselquelle. Die Wasserholer müssen nun einige Meter mit ihren vielen Kanistern in den Wald zur Quelle und zurück laufen, denn das Quellwasser sprudelte nicht mehr direkt am Hesselbrunnen am Parkplatz, sondern dahinter im Wald. Erst seit Schriesheim den Brunnen dicht machte schickt sie nun die Wasserholer in Massen in die Ruhezonen des Wildes und ist dafür verantwortlich, dass der Wald zertrampelt wird.
Auf eine Gesprächs- und Terminanfrage von Hodzic zu den jüngsten Ereignissen hat die Stadt nicht reagiert, „die haben keinen Gesprächsbedarf, haben die mir mitgeteilt.“ Statt Gespräche gibt es falsche Tatsachen und Fakten und darauf basierend eine nicht nachvollziehbare Entscheidung: Die Quelle bleibt vorerst abgestellt, so die Schriesheimer Antwort auf eine Presseanfrage. So vergiftet die Stadt Schriesheim das eigene Brunnenwasser, politisch zumindest.