„Mit dem Impfbus haben wir jetzt ein ergänzendes Angebot, um niederschwellig und flexibel das Impfen zu den Menschen zu bringen und damit das Impftempo zu erhöhen,“ wie Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bei der Präsentation des Impfbusses im Juni diesen Jahres erklärte. Auch Erster Bürgermeister Christian Specht lobte damals das Angebot: Der Impfbus „kann die Impfangebote noch näher an die Menschen bringen.“
Statt 7.000 Fans kam kein einziger
Seit dem tourt der Impfbus durch Mannheims Stadtteile und macht auch hin und wieder Station vor den Stadien bei Heimspielen des Waldhof Mannheim und der Mannheimer Adler. Auch am gestrigen Sonntag stand der Impfbus wieder vor der SAP-Arena, dort sollten von 11 bis 17 Uhr Adler-Fans geimpft werden während sich ab 14 Uhr die Mannheimer Adler von den Wolfsburg Grizzlys rupfen ließen.
Nur hatte die Impfaktionen diesmal einen Haken: Statt wie üblich mehr als 7.000 Zuschauer kam am Sonntag kein einziger Adler-Fan zur SAP-Arena. Bereits am Donnerstag wurde mit der Verschärfung der Corona-Maßnahmen beschlossen, das Spiel Corona-bedingt als Geisterspiel ohne Zuschauer auszutragen. Der Impfbus stand demnach am Sonntag vor der leeren SAP-Arena.
Impflinge werden nach Hause geschickt
Doch wer glaubte, dass der Impfbus nun gott- und menschenverlassen in der endlosen Weite der Fahrlach-Pampa stehen würde, der hatte sich getäuscht: Bereits um kurz nach 7 Uhr in der Frühe, also noch vier Stunden vor der ersten Impfaktion, waren bereits etwa 30 Menschen gekommen. Bis 11 Uhr waren es mehrere hundert Menschen, die sich bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt Hoffnung auf eine Impfung machten.
Die meisten von ihnen wurden aber enttäuscht, sie waren umsonst gekommen: „Wir können vielleicht 100 Menschen impfen“, erklärte ein Mitarbeiter des Impfbusses, „wenn es gut läuft vielleicht 110 oder 120.“ Die meisten Impfwilligen wurden daher wieder nach Hause geschickt: „Wenn die so weiter machen, sind wir in 3.000 Jahren noch nicht geimpft“, wie ein ungeimpft gebliebener auf dem Heimweg seinen Unmut freien Lauf ließ.
Tägliches Drama um Impfung
Dabei ist der Andrang nicht neu: Das letztlich vergebliche Anstehen für eine Impfung beim Impfbus ist ein seit Wochen bekanntes Drama. Seit die Infektionszahlen nahezu unkontrolliert in die Höhe schießen und zudem eine noch nicht bekannte Gefahr von einer neuen Mutation ausgehen könnte, steigt die Nachfrage nach Impfungen. Dazu kommen noch die Auffrischungsimpfungen, die nach sechs Monaten empfohlen werden.
Als vor zwei Wochen am 24. September der Impfbus vor dem Jobcenter an der Ecke Hebelstraße/Friedrichsring (Oststadt) stand, stellten sich die ersten Impfwilligen bereits um 6 Uhr an. Mit warmem Kaffe in Thermoskannen und Klappstühlen warteten sie im Schatten des Nationaltheaters sechs Stunden, bis um 12 Uhr die ersten Impfungen begannen.
Als der Impfbus schließlich kam, warteten geschätzte 500 Mannheimer auf eine Impfung: Die Schlange rechte durch die gesamte Hebelstraße bis zur Mozartstraße, dort bog die Schlange ab und führte über den Theaterparkplatz bis weit auf die Goethestraße – also fast um das halbe Nationaltheater. Wie viele der Wartenden letztlich ihre Impfung erhielten, ist nicht bekannt, es dürfte wieder nur ein kleiner Bruchteil gewesen sein.
Stadt reagiert nicht
Noch duldet die Stadt Mannheim das tägliche Impfchaos. Unter der Überschrift „Impfen ohne Termin“ lockt sie weiterhin die Impfwilligen hoffnungsvoll zum Impfbus. Doch auf der Webseite wird neuerdings darauf hingewiesen, dass „aufgrund des großen Andrangs und der Tatsache, dass die Impfaktionen zeitlich begrenzt sind, nicht immer gewährleistet werden kann, dass allen Impfwilligen vor Ort auch tatsächlich ein Impfangebot gemacht werden kann.“
Die Mitarbeiter vor Ort schütteln darüber nur den Kopf: „Wir haben das schon so oft an die Stadt herangetragen, aber die machen nichts“, heißt es zur Erklärung am Sonntag vor der SAP-Arena. Denn zur eigentlichen Hauptaufgabe der Mitarbeiter kommt nun noch mehr Arbeit auf sie zu: Die müssen nicht nur impfen, sondern auch dem Großteil der Impflinge das Dilemma erklären, weswegen sie keine Impfung erhalten werden. Und das sind nicht nur diejenigen, die sich schon frühmorgens und Stunden vor der eigentlichen Impfung einfinden, sondern auch diejenigen, die hoffnungsvoll am Mittag während der angekündigten Impfzeiten kommen.
Impfen nur noch mit Wartenummer
„Impfen ohne Termin“ ist zwar weiterhin der verführerische Titel der besagten Impfaktionen, doch als zusätzliche Reaktion der Stadt gibt es nunmehr Einschränkungen: Nur wer eine Wartenummer vorweisen kann, wird geimpft: „Vor Ort werden Wartenummern ausgegeben, damit sich Wartezeiten besser abschätzen lassen“, heißt es dazu auf der Webseite der Stadt.
Da die Wartenummern nur vor Ort ausgegeben werden, ändert sich weiterhin kaum etwas: Früh aufstehen lohnt sich, denn nur diejenigen werden geimpft, die sich eine niedrige Wartenummer sichern können. Wer sich am Sonntag um kurz nach 7 Uhr vor der SAP-Arena einfand, erhielt bereits die Nummer 30 und wurde später als 30ter geimpft.
Nächste Impftermine im März 2022
Wer nicht in der Kälte anstehen möchte und wem das Impfen ohne Termin aber mit Wartenummer zu umständlich ist, der kann sich einen Termin im Universitätsklinikum Mannheim buchen. Dort stehen zwar zwei Impfstraßen bereit, doch auch dort ist die Kapazität beschränkt und der Andrang weitaus größer als das Angebot: Die nächsten freien Termine wären (Stand 6. Dezember 2021) frühestens Anfang März zu bekommen.
Da sieht es im Kommunalen Impfzentrum (KIZ) im Rosengarten schon besser aus: Dort wären bereits in dieser Woche Termine buchbar. Doch ist dabei zu beachten, dass diese Termine nur für Mannheimer über 55 Jahren vergeben werden.
Verfügbare Impfdosen werden im KIZ nicht genutzt
Aber auch im KIZ im Rosengarten steht nur begrenzter Impfstoff zur Verfügung: „Wir bekommen morgens gesagt, wie viele Impfdosen wir bekommen“, erklärt einer, der dort arbeitet. Und er nennt auch konkrete Zahlen: „Manchmal sind es nur 100.“
Das Problem im Rosengarten sind allerdings nicht nur die wenigen zur Verfügung stehenden Impfdosen, sondern auch die geringe Akzeptanz des Impfangebotes bei den über 55jährigen: Es passierte bereits mehrfach, dass es mehr Impfdosen als Impftermine gab.
„Kommen sie rein!“ – Sofortimpfung ohne Termin und Altersbeschränkung
Am gestrigen Sonntag trat dieser Fall mal wieder im KIZ ein: Während sich am östlichen Ende des Rosengartens knapp 100 Menschen für einen Corona-Test anstellten, herrschte am westlichen Ende beim Eingang zum Impfzentrum gähnende Leere. Ein Security-Mitarbeiter am Eingang des Impfzentrum bestätigte die Beobachtung: „Ich verstehe die nicht: Dort drüben stehen sie an für einen Test, hier bekommen sie sofort eine Impfung.“
Auf den Hinweis, dass doch eigentlich nur über 55jährige mit gebuchtem Termin geimpft werden, kam eine überraschende Antwort vom Türsteher: „Heute nicht, wir haben heute nicht so viel Termine. Wenn sie geimpft werden wollen, kommen sie rein.“ Und tatsächlich: Ohne Rücksicht auf Alter und Termin wurde geimpft, zehn Minuten später schon steckte die Booster-Spritze im Arm.
Nachricht auf Impfstoff verbreitet sich schnell
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Nachmittag die Nachricht in der Stadt, dass gerade ohne Termin und ohne Altersbeschränkung im KIZ geimpft wird. Viele, die davon erfahren haben, haben sich spontan ins KIZ aufgemacht und wurden auch geimpft.
Da allerdings vorrangig die Besucher mit Termin geimpft wurden und immer mehr Menschen ohne Termin erschienen, gab es letztlich doch wieder Wartezeiten von bis zu einer Stunde. Auch Hermann Rütermann nutzte das Angebot und ließ sich spontan impfen: Er war einer der ersten Mannheimer, der gegen Corona geimpft wurde. Als Proband im Zuge einer Testung des Impfstoffes vor der Zulassung wurde er bereits im September 2020 geimpft.
Zurück in der traurigen Realität: Gratis Weihnachtsbaum als Belohnung
Die Freude über die unerwartete Impfung wurde aber schon gleich nach dem Verlassen des Impfzentrums ein wenig getrübt, als die Realität die Impflinge wieder einholte. Der Ausgang aus dem Testzentrum führt durch das Parkhaus auf den Friedrichsplatz, dort wo seit Samstag der wegen Corona abgebrochene Weihnachtsmarkt abgebaut wurde. Die Situation wirkte unwirklich zwischen den abgebauten Hütten und nicht mehr benötigter Weihnachtsdekoration und machte die Notwendigkeit von Impfungen nochmals sehr deutlich.
Wer am gestrigen Sonntag doppelt Glück hatte, der konnte nach seiner unerwarteten Impfung auch noch einen nicht mehr gebrauchten Weihnachtsbaum vom abgesagten Weihnachtsmarkt mit nach Hause nehmen.