„Was war der Prüfauftrag?“, fragte der ehemalige Stadtrat Konrad Schlichter (CDU) am 6. Oktober bei der Präsentation des weiterhin unter Verschluss gehaltenen Gutachtens über die Sonderprüfung beim CDU-Kreisverband Mannheim. Eine Antwort erhielt Schlichter nicht: Roger Schenk, der stellvertretende Landesgeschäftsführer der CDU Baden-Württemberg, der zur Beantwortung von Fragen eigens zur Gutachtenpräsentation nach Mannheim gekommen war, ignorierte die Fragen einfach und ging kommentarlos zur nächsten Wortmeldung über.
Kostenexplosion durch Erweiterung des Prüfauftrags
Schlichters Frage ist aber von zentraler Bedeutung: Fast genau einen Monat nach dem Rücktritt von Nikolas Löbel von seinen politischen Ämtern leitete der CDU Kreisverband Mannheim eine Untersuchung ein, bei der am 9. April von der CDU Baden-Württemberg ein 10.000 Euro teures Gutachten bei Mauer Unternehmensberatung GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (Mauer) in Auftrag gegeben wurde.
Zwei Monate später beim ersten Zwischenbericht wurde bereits deutlich, dass das Gutachten erweitert werden müsse. Dies stieß zunächst auf Widerstand im Kreisvorstand und führte zu kontroversen Diskussionen: Denn mit der inhaltlichen Erweiterung hätten sich auch die Kosten für das Gutachten auf 20.000 Euro verdoppelt. Erst als der CDU-Landesverband zusagte, einen Teil der Kosten für das Gutachten zu übernehmen, stimmte der Mannheimer Kreisverband zu. Am 22. Juli wurde der Prüfauftrag für das Gutachten erweitert.
Keine Angaben zum erweiterten Prüfauftrag
Wofür aber die CDU nochmals 10.000 Euro bezahlen soll, was genau der Grund der Erweiterung war und wie sich die Erweiterung in der Fragestellung und in dem Prüfauftrag widerspiegelt, ist dabei nicht ganz ersichtlich. Die im März und im Oktober von der CDU in der Öffentlichkeit kommunizierten Prüfaufträge geben jedenfalls keine Antwort auf eine Erweiterung.
Weder Mauer noch Hannes Griepentrog, stellvertretender und für Kommunikation und Kampagne zuständiger Landesgeschäftsführer der CDU Baden-Württemberg, beantworteten Anfragen zur Erweiterung des Prüfauftrages.
Nach übereinstimmenden Aussagen von Parteimitgliedern, die nach Unterzeichnung einer Verschwiegenheitserklärung Einsicht in das unter Verschluss gehaltene Gutachten hatten, soll die Erweiterung im Prüfauftrag und insbesondere auch in der Fragestellung ebenfalls nicht dokumentiert worden sein.
Der Prüfauftrag wurde letztlich reduziert
Warum Schlichters Frage vom 6. Oktober nach dem Prüfauftrag damals ohne Antwort blieb, wurde spätestens am 22. Oktober beim Kreisparteitag in Mannheim deutlich. Die CDU Baden-Württemberg informierte dort über die Sonderprüfung Finanzen im Kreisverband Mannheim und nannte dabei einen anders lautenden und inhaltlich reduzierten Prüfumfang als der Mannheimer Kreisverband noch am 6. Oktober bekannt gab: Einige zentrale und früher genannte Prüfungsfelder fehlen.
Am 6. Oktober hieß es gemäß damaliger Mitteilung noch, dass auch Löbels Büro als CDU-Kreisvorsitzender Gegenstand der Untersuchung gewesen sein soll: In der zweiten Erklärung vom 22. Oktober ist davon aber keine Rede mehr. Und während Anfang Oktober noch mitgeteilt wurde, dass alle Buchungssachverhalte geprüft worden seien, erklärt die CDU 14 Tage später, dass eine Untersuchung des Abgeordnetenkontos unterblieben ist.
Dass im zuletzt kommunizierten Prüfauftrag wesentliche Änderungen vorgenommen worden sein sollen, sieht Griepentrog anders. Er bestätigt auf Anfrage genau das Gegenteil: Nämlich dass „der Prüfauftrag, der aus der Pressemitteilung des CDU-Kreisverbands vom 6. Oktober 2021 hervorgeht, später nicht verändert wurde.“
Bundestagswahl offenbar nur Ausrede für verspätete Präsentation
Die Veränderungen im Prüfauftrag stehen möglicherweise im Zusammenhang mit der verspäteten Präsentation des Gutachtens. Seit Anfang September liegt das fertige Gutachten der CDU vor, der Öffentlichkeit präsentiert wurde es allerdings erst einen Monat später, Anfang Oktober.
Das Zurückhalten soll angeblich mit der Bundestagswahl Ende September begründet worden sein, wie es aus internen Kreisen heißt: Es sollte durch die Präsentation im Wahlkampf kein schlechtes Bild von der CDU entstehen. Nur wenn sich aus dem Gutachten „weder strafbare Handlungen noch Verstöße“ ergeben, sondern vielmehr nur „organisatorische Handlungsempfehlungen“, die den damaligen Vorstand nicht be- sondern vielmehr entlastet hätten, dann hätte die CDU das Gutachten gefahrlos schon im September präsentieren können.
Wurden belastende Passagen entfernt?
Dass das Gutachten in dieser Zeit vielmehr verändert oder manipuliert worden sein könnte, wird mittlerweile von einigen Mitgliedern auch nicht mehr ausgeschlossen und als der eigentliche Grund der verspäteten Präsentation in Erwägung gezogen.
Die neueste Darstellung der CDU, dass einige Aspekte angeblich nicht geprüft wurden, kann nach Aussagen dieser Mitglieder auch damit begründet werden, dass belastende Passagen aus dem Gutachten entfernt worden sein könnten. Mit dem inhaltlich reduzierten Gutachten musste dann auch der Prüfauftrag angepasst werden, was Anfang Oktober offenbar noch nicht geschehen war und bis zum Parteitag nachgeholt wurde.
Wurden Bereiche mit strafbaren Handlungen und Verstößen nicht mehr geprüft?
Sollte das Gutachten durchaus strafbare Handlungen und Verstöße aufgedeckt haben oder zumindest Anhaltspunkte dafür geliefert haben? Was einige Mitglieder vermuten, verneint der CDU-Landesverband in seiner Mitteilung zum Kreisparteitag Ende Oktober: Mauer habe demnach keinen Anfangsverdacht gemeldet, so die offizielle Mitteilung.
Das kann durchaus so sein. Mauer hätte einen Anfangsverdacht melden müssen, dazu war Mauer vertraglich verpflichtet, wie die CDU auf dem Keisparteitag mitteilte. Doch wenn der Auftraggeber plötzlich den Prüfauftrag reduziert und Teile von der Prüfung ausschließt, dann braucht Mauer auch Verstöße aus den ausgeschlossenen Teilen nicht mehr zu melden.
Dass plötzlich das Abgeordnetenkonto und Teile des CDU-Kreisbüros nicht mehr Gegenstand der Prüfung gewesen sein sollen, lässt damit den Schluss zu, dass genau in diesen Bereichen zumindest der Anfangsverdacht auf strafbaren Handlungen und Verstöße festgestellt worden sein könnte, so die Argumentation einiger Mitglieder.
Angeblich illegale Parteispenden und weiteren strafbare Probleme bei der CDU Mannheim
Am 11. Februar 2019 erhielt die CDU eine großzügige Spende über 5.000 Euro, am nächsten Tag frage der damalige Schatzmeister und heutiger Vorsitzender der CDU Mannheim nach, ob ein Verstoß gegen „einschlägige Vorschriften“ (Anm.: Gemeint ist hier das Parteiengesetz) „so in Ordnung und (….) beabsichtigt ist?“
In der CDU Mannheim wurde damals zumindest offen darüber diskutiert, wie diese Parteispende verbotenerweise verschleiert werden könnte. Das belegen interne Dokumente, die www.6800.info vorliegen. Warum eine Wirtschafts- und Steuerprüfungsgesellschaft darin keinen Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung sieht, kann mit den zuvor geäußerten Vermutungen einiger Mitglieder klar erklärt werden.
Und ähnlich sieht es wahrscheinlich auch bei den Mitgliedern in der Mannheimer CDU aus: Von einem Chaos in der Mitgliederverwaltung wird gesprochen, von Karteileichen ist die Rede, von Parteimitgliedern die es nur auf dem Papier geben soll, um höhere Zuschüsse von den Verbänden fordern zu können. Auch die Zuornung von Arbeitsvergütungen innerhalb der ehemaligen Räumlichkeiten der CDU Mannheim soll nicht nachvollziehbar sein, so wird berichtet.
Sollten die Aussagen zutreffen, dann würden sich hieraus schon meldepflichtige Ansätze von strafbaren Handlungen ergeben – sofern diese Bereiche überhaupt geprüft und nicht plötzlich nach Anweisungen der CDU vom Prüfauftrag gestrichen wurden.
19 Seiten sind zu wenig für 28 Feststellungen
Die CDU Mannheim jedenfalls lenkt von ihren eigentlichen Problemen ab und verlagert die Diskussion auf das Gutachten. Parteimitglieder, die das Gutachten einsehen konnten, berichten übereinstimmend, dass das Gutachten keine handschriftlichen Signaturen tragen soll: Es wäre im Hinblick auf die allgemeinen Vorschriften der Sachverständigenordnungen der Industrie- und Handelskammern (SVO) des Instituts für Sachverständigenwesen e. V. damit nicht einmal rechtsgültig.
Bei einem nur 19-seitigen Ergebnis wäre eine 20.000 Euro Entlohnung ein stolzer Preis pro Seite. Nach Abzug der Seiten mit Inhaltsverzeichnis, allgemeinen Angaben, Aufgabenstellung, Zusammenfassung und AGBs am Anfang und am Ende des 19-seitigen Gutachtens würde jeder einzelnen der vom Gutachter herausgearbeiteten 28 Feststellungen nur noch etwa eine halbe Seite Platz in dem Gutachten zur Verfügung stehen.
Wie und vor allem wo dabei die Dokumentation der Daten und des Sachverhaltes sowie eine sachverständige Beantwortung der Fragestellung pro Sachverhalt dokumentiert ist, bleibt rätselhaft. Das nährt vielmehr den anfänglichen Verdacht, dass vom Umfang her diese 19 Seiten gar nicht das Hauptgutachten oder den eigentlichen Prüfbericht darstellen können.
Ist das Gutachten nur eine PowerPoint-Präsentation?
Und noch eine Beobachtung der Parteimitglieder bei der Einsichtnahme ist von Interesse: Das vermeintliche Gutachten von Mauer soll teilweise auf DIN-A4 im Querformat verfasst worden sein. „Das sieht aus wie eine PowerPoint-Präsentation, aber nicht wie ein Gutachten“, sagt einer, der das Gutachten in der Hand hatte, aber nicht darüber sprechen darf.
Demnach könnte es sich bei dem, was die CDU als Gutachten bezeichnet, zumindest in Teilen eventuell um Seiten einer PowerPoint-Präsentation eines zusammengefassten Abschlussberichtes gehandelt haben. In diesem Sinne spricht die CDU in der auf dem Kreisparteitag am 22. Oktober veröffentlichten Mitteilung von einem „Prüfbericht“ als auch von einem „Abschlussbericht mit 19 Seiten.“
„Von unserer Seite ist zu diesem Gutachten alles gesagt.“
Allerdings widerspricht Griepentrog der Annahme, dass es sich bei dem von der CDU vorgelegten 19-seitigen Bericht nur um einen Teil eines vielmehr wesentlich umfangreicheren Gutachten handeln könnte: „Ein umfangreicherer Prüfbericht existiert nicht.“
Auch der neu gewählte Mannheimer Kreisvorsitzende Christian Hötting liefert keine wirklich Antwort, er weicht einer Anfrage nach einem Hauptgutachten und einer Zusammenfassung aus. Er antwortet lediglich, dass es „nur diese eine Fassung gibt.“ Nur war nach den Fassungen, also nach inhaltlich veränderten neuen Versionen, überhaupt nicht gefragt. Auf weitere Diskussionen will Hötting sich nicht einlassen und beendet jede weiter Diskussion zu diesem Thema: „Von unserer Seite ist zu diesem Gutachten alles gesagt.“