Das entkernte ehemalige BBC/York Verwaltungsgebäude gegenüber dem Mannheimer Planetarium wirkt artifiziell: Es könnte schon fast Kunst sein, verwendet als Denkmal für die einst lukrative Aserbaidschan-Connection der Mannheimer CDU. Es könnte ein im Verständnis der osteuropäischen Monumentaldenkmäler errichtete gigantische Betonskulptur sein, die an vergangene großen Zeiten und an ein schmerzliches Scheitern erinnern könnte.
Besitzer wechseln von Frankfurt über Mannheim nach Köln
Dabei ist das Gebäude eigentlich nur eine Ruine, die langsam verfällt. 1972 wurde es errichtet und als Verwaltungsgebäude des Kälteraumherstellers BBC/York genutzt, ein Eiskristall und der York-Schriftzug auf dem Dach sind die letzten Erinnerungen daran. 40 Jahre später, im Jahre 2012, kauft der Mannheimer Bauentwickler Egon Scheuermann das Gebäude von der AVI Immobilien in Frankfurt und lässt das Gebäude komplett entkernen. Seit dem ist es nur noch ein Betonskelett. Mehr macht Scheuermann nicht mit dem Gebäude.
Drei Jahre später verkauft er das Objekt bereits wieder. Neuer Eigentümer wird die Sapphire Property Development GmbH (Sapphire), die daraus ein 4-Sterne Luxushotel machen will: 2015 erteilt die Stadt die Baugenehmigung, noch im selben Jahr gehen die Planer von aei progetti aus Florenz im Auftrag von Sapphire ans Werk und legen Entwürfe für das Venu-Hotel in Mannheim mit 163 Zimmern vor, die auch eine Präsidenten-Suite beinhaltet hätte. Baubeginn des 23,2 Millionen teuren Hotels hätte im Jahre 2020 sein sollen.
Die Briefkastenfirma Sapphire Property Development GmbH
Sapphire ist eine seit 2014 in Mannheim im Handelsregister eingetragene Bauentwicklungsgesellschaft, die sich in der Kunibertsgasse in Köln einen Briefkasten mit dutzenden anderen Firmen teilt: Mehr ist äußerlich von dieser Firma nichts zu sehen. Geschäftsführer ist damals ein Michael Shvartsman, gemäß Recherchen des SWR soll sein Name in geheimen FBI-Berichten auftauchen, es soll um organisierte Kriminalität gehen, um Verbindungen nach Russland und nach Aserbaidschan.
Die SWR-Recherchen berichten von einem Firmengeflecht hinter der Kölner Firma, von Off-Shore-Firmen, die in den geleakten Panama-Papers auftauchen. Gegen eine der Firmen sollen in Italien mehrere Staatsanwaltschaften wegen Geldwäsche ermitteln. Finanziell sollen zudem Personen aus dem direkten Umfeld des aserbaidschanischen Herrschers Ilhan Aliyev beteiligt sein.
Mannheimer Arzt aus Aserbeidschan könnte ein Doktor aus Mannheim sein
Scheuermann soll den Kontakt zum Käufer angeblich von einem Mannheimer Arzt aus Aserbaidschan erhalten haben, der den neuen Käufer und Eigentümer persönlich kennen soll. Die Geschäftsleute legen angeblich Wert auf höchste Diskretion, wer dieser Arzt sein könnte, wird dabei ebenfalls nicht verraten. Vielleicht ist es ja auch kein Arzt aus Aserbaidschan, vielleicht ist dies nur eine anderslautende Umschreibung für einen akademischen Doktor, der viel in Aserbaidschan unterwegs war und über beste Kontakte zur dortigen Regierung verfügt.
In den Fokus könnte damit Professor Doktor Egon Jüttner rücken: Scheuermann und Jüttner sind Parteifreunde, Jüttner saß von 1990 mit einer kurzen Unterbrechung bis 2017 für Mannheim im Bundestag. Jüttner war zuletzt Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Er war auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Und Jüttner war oft in Aserbaidschan und unterhielt beste Kontakte zur dortigen Regierung.
Als bezahlter und zweifelhafter Wahlbeobachter in Aserbaidschan
Eine seiner vielen Reisen führt ihn im Oktober 2013 nach Aserbaidschan, als Gast seines Parteikollegen Eduard Linter, dessen offenbar von Aserbaidschan finanzierte Lobbyfirma hinter der Reise steht: Die Delegation sollt die Rechtmäßigkeit der Parlamentswahl in Aserbaidschan beobachten, die Reise wird später später als Teil der Aserbaidschan-Affäre in die Geschichte eingehen.
„Heute habe ich mehrere Wahllokale besucht. Es wurde kein Sonderfall aufgedeckt“, wird Jüttner am 9. Oktober 2013 von mehreren aserbaidschanischen Nachrichtenkanälen zitiert: „Dies ist ein gutes Zeichen. Hier sind die Wahlverfahren die gleichen wie in Deutschland.“ Während Jüttner der Regierung in Aserbaidschan förmlich Honig ums Maul schmiert, muss diese Aussage für andere wie ein heftiger Schlag in den Magen vorkommen: So kommen offizielle OSCE-Wahlbeobachter zu dem Schluss, die Wahl sei vielmehr „untergraben von Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.“
Das aserbaidschanische Sponsoring zugunsten der Jungen Union
Es war bei Weitem nicht die erste Reise Jüttners nach Baku. Möglicherweise stehen seine früheren Reisen im Zusammenhang mit einem Sponsoring zugunsten der Jungen Union Baden-Württemberg aus dem Jahre 2012: Ein Studentennetzwerk aus Aserbaidschan wollte damals den in Mannheim stattfindenden Landestag der Jungen Union sponsorn, Vorsitzender der Jungen Union war Nikolas Löbel, Jüttner selber war da bereits Ehrenvorsitzender des Mannheimer Kreisverbandes der CDU.
Das aserbaidschanische studentische Netzwerk bezieht seine Gelder größtenteils vom staatlichen aserbaidschanischen Öl- und Gaskonzern SOCAR, dem Jüttner sehr nahe steht. Jüttner hält damals wiederholt Reden auf Veranstaltungen, die von SOCAR als auch von Linters Lobbyfirma gesponsort wurden, etwa beim Jahrestag der Tragödie vom 20. Januar im Jahre 2015.
Jüttners Lobbyarbeit für das Regime in Aserbaidschan
Jüttner ist ein großer Unterstützer des Regimes in Aserbaidschan. Noch im August 2016, als längst bekannt war, dass er 2017 nicht mehr für den Bundestag kandidieren würde, schlägt er sich einmal mehr auf die Seite Aserbaidschans, als es um eine Bewertung der bewaffneten Auseinandersetzungen im Bergkarabach-Konflikt vom April 2016 geht: „Daher verurteile ich den Militärangriff Armeniens im April“, wie ihn die aserbaidschanische Presse zitiert. Wer den damaligen Militärangriff begann, ist offiziell nicht bekannt, jede Seite beschuldigt die jeweilige andere Seite. Für Jüttner jedenfalls ist der Agressor bekannt.
Die Verdrehung von Tatsachen und die massive Lobbyarbeit Jüttners zugunsten der autoritären Regierung von Aserbaidschan blieb mit ziemlicher Sicherheit nicht ohne finanzielle Gegenleistung aus Aserbaidschan. Dass in dieser intensiven Aserbaidschan-aktiven Zeit Jüttners ausgerechnet an Jüttners Wohnort die Gründung der Sapphire Property Development GmbH erfolgte und regierungsnahe Mitglieder plötzlich Millionen in Immobilien in Mannheim investieren, dürfte ebenfalls kein Zufall gewesen sein.
Nach Jüttner reist Löbel nach Aserbeidschan
2017 endet die Amtszeit Jüttners, Nikolas Löbel tritt für die Mannheimer CDU Jüttners Nachfolge im Bundestag an, er ist Berichterstatter für die östliche Partnerschaften. Löbel knüpft zügig und übergangslos an die offenbar lukrativen Verbindungen von Jüttner nach Aserbaidschan an.
Bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt wird Löbel in Baku vom stellvertretenden aserbaidschanischen Außenminister Khalaf Khalafov sowie vom Bildungsminister Jeyhun Bayramov empfangen. Auch den Vorsitzenden des Parlamentarischen Ausschusses für Internationale Beziehungen und Interparlamentarische Beziehungen, Samad Seyidov, sowie den Vorsitzenden des Landesausschusses für Flüchtlinge und Binnenvertriebene, Rovshan Rzayev, trifft Löbel. Neben offiziellen Punkten tauschen sich die Seiten „auch über andere Fragen von gemeinsamem Interesse aus.“ Was genau damit gemeint war, nennen die Berichterstatter in Baku damals nicht.
Nach Jüttner unterstützt auch Löbel das Regime als Lobbyist
Auf der im November 2018 in Berlin stattfindenden und von Organisationen aus Aserbaidschan unterstützten Konferenz zur Verbesserung des interreligiösen und inter-zivilisatorischen Dialogs zu Solidarität und Kooperation bezeichnet Löbel in seiner Rede ganz im Sinne seines Vorgängers Jüttner das autoritäre Aserbaidschan als ein „junges, starkes und demokratisches Land.“
Kurz danach positioniert sich Löbel offen im Berg-Karabach-Konflikt gegen Armenien und für Aserbaidschan: „Berg-Karabach gehört geografisch zu Aserbaidschan und ist ein wesentlicher Bestandteil von Aserbaidschan.“
„Armenien verstößt weiterhin gegen das Völkerrecht“, heißt es in einer Erklärung, die Löbel im Juli 2020 über sein Twitter-Konto verbeitet und die von den Medien in Baku aufgegriffen wird. Außenminister Heiko Maas wird darin aufgefordert, die Angelegenheit im Auswärtigen Amt und im UN-Sicherheitsrat zu Gunsten Aserbaidschans zu verurteilen. Später wird bekannt werden, dass diese Initiative wohl von der aserbaidschanischen Botschaft lanciert wurde, wie Recherchen des SWR zeigen.
CDU verhindert Aufklärung, Hinweise auf Geldwäsche
Was Löbel für seine Engagement und seine Lobbyarbeit für Aserbaidschan alles an Gegenleistungen erhielt, werden weitere Recherchen ans Tageslicht bringen. Erste Spuren gibt es bereits. Es deutet einiges darauf hin, dass die für 250.000 Euro Provision in der sogenannten und für seinen Rücktritt verantwortlichen Maskenaffäre nur eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Gegenleistungen aus Aserbeidschan gewesen sein könnte.
Auch das weiterhin unter Verschluss gehaltene vermeintliche Gutachten über den Kreisverband Mannheim, dessen Vorsitzender Löbel war, spielt dabei wohl eine wichtige Rolle: Die plötzlich nicht geprüften Bereiche könnten im Zusammenhang mit den Gegenleistungen aus Aserbaidschan und auch mit Geldwäsche stehen.
Aserbaidschan zieht sich aus Mannheimer Engagement zurück
Als Löbel jedenfalls Anfang 2021 von allen politischen Ämtern zurück tritt, endet bald auch die langjährige lukrative Verbindung der Mannheimer CDU nach Aserbaidschan: Die CDU in Mannheim ist nach der Bundestagswahl im September nicht mehr in Berlin vertreten, das Direktmandat sichert sich Isabel Cademartori von der SPD. Und auch umgekehrt hat man in Aserbaidschan wohl festgestellt, dass es damit keinen Grund mehr gibt, sich in Mannheim finanziell zu engagieren.
Während 2018 die 2015 erteilte Baugenehmigung für das geplante Luxushotel am Planetarium zunächst noch um drei weitere Jahre verlängert wird, hat Aserbeidschan 2021 wohl kein Interesse mehr an einem Luxushotel in Mannheim: Es wird zum 23. September 2021 kein Antrag mehr auf Verlängerung der Baugenehmigung gestellt, wie die Stadt Mannheim auf Anfrage bestätigt und zudem noch mitteilt: “Es gibt somit auch keine neuen Entwicklungen.”
14.000.000,00 Euro soll die Immobilie bringen
Zumindest in Mannheim gibt es keine neuen Entwicklungen zu der Immobilie. Die Geschichte geht derweil fast unbemerkt in Köln weiter, am Standort der Sapphire Property Development GmbH: Denn bereits fünf Tage nach Verfall der Baugenehmigung und zwei Tage nach der Bundestagswahl, am 28. September 2021, wird der ehemalige BBC/York-Bau über die Kölner Immobilienfirma Basaran Immobilien zum Verkauf angeboten: 14.000.000,00 Euro zuzüglich 3% Provision soll das Denkmal der Mannheimer CDU für die einst lukrative Aserbaidschan-Connection kosten.
Bisher hat sich offenbar kein Käufer gefunden, das Objekt ist Anfang Januar noch verfügbar. Ob das Objekt überhaupt einen Käufer finden wird, bleibt abzuwarten: Laut Internetbewertungen der letzten zwölf Monate würden „0% diesen Anbieter weiterempfehlen.“