Euro und US-Dollar Bargeld im Wert von mehr als 210.000 Euro finden Ermittler im Herbst 2021 in einem Bankschließfach des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Das Auffinden und die Öffnung des Bankschließfaches stehen im Zusammenhang mit Ermittlungen zu Kahrs Cum-Ex-Aktivitäten.
Die Herkunft des Geldes ist indes völlig unklar, Kahrs äußerte sich hierzu bislang nicht. Da nicht nur Euro, sondern auch US-Dollar in dem Schließfach gefunden wurden, lässt sich vermuten, dass die Gelder möglicherweise aus dem Ausland kommen könnten.
Kahrs im Interesse von Aserbaidschan
Die Gelder könnten vielleicht aus Kahrs Aktivitäten für Aserbaidschan stammen: Kahrs stand als Bundestagsabgeordneter dem Regime im Kaukasus nahe. Seine diesbezüglichen Aktivitäten als Abgeordneter zeigen dabei Parallelen zu anderen Politikern und Abgeordneten, die mit ihrer Lobbyarbeit für Aserbaidschan und mit Korruption auffällig geworden sind.
Aserbaidschan könnte durchaus ein starkes Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten Kahrs gehabt haben, schließlich saß er Jahrelang im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss und hatte gute Kontakte zur Waffenlobby. Dass Kahrs gerne Spenden annahm, insbesondere auch von jenen, für die er später einmal tätig werden würde, machte es für Aserbaidschan leicht, an Kahrs ranzukommen und ihn für die eigenen Interessen zu gewinnen.
Die vielen Reisen des Johannes Kahrs nach Aserbaidschan
Seit 1998 saß Kahrs im Bundestag. Keine zehn Jahre nach seinem erstmaligen Einzug in den Bundestag beginnt offenbar sein Engagement für Aserbaidschan. Im September 2007 ist Kahrs Teilnehmer eines Kongresses in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, das sich mit dem Thema „Dialoge der Zivilisationen: Die Rolle der politischen Parteien“ beschäftigte.
Solche Kongresse sind gesteuerte Veranstaltungen Aserbaidschans, auf denen es weniger um Inhalte geht als vielmehr um das positive Erscheinungsbild Aserbaidschans nach außen. Und es geht bei diesen Kongressen insbesondere auch um die Anbahnung und Intensivierung von Kontakten zu einflussreichen Politikern und Abgeordneten, die bereits für Aserbaidschan korrupte Lobbyarbeit betreiben oder zukünftig betreiben sollen.
Es sollte nicht die letzte Reise des Abgeordneten Kahrs nach Aserbaidschan sein. Es folgen noch ein knappes halbes Dutzend weiterer Reisen nach Baku – das waren Privatreisen ebenso wie offizielle Reisen als Abgeordneter im Auftrag der Fraktion oder des Bundestages.
Ein Stipendiat aus Aserbaidschan bei Kahrs im Büro
Ein Jahr nach seiner ersten Reise sitzt Aserbaidschan bereits im Büro von Johannes Kahrs: Der aus Aserbaidschan stammende und dank eines Stipendiums an der Hamburger Universität studierende Vugar Gafarov macht 2008 ein Praktikum im Bundestagsbüro von Kahrs. Später ist Gafarov Doktorand an der Universität Hamburg, dank eines Stipendiums der zur SPD gehörenden Friedrich-Ebert-Stiftung.
Gafarov arbeitete zwischenzeitlich im Außenministerium der Republik Aserbaidschan und ist gemäß Webseite der Botschaft heute als Zweiter Botschaftssekretär der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin zuständig für politische und sicherheitspolitische Angelegenheiten. Im Jahre 2019 wird jener Gafarov im Zusammenhang mit der Lobbyarbeit Aserbaidschans nochmals massiv in Erscheinung treten.
Dass ausländische Studenten Stipendien bei Bundestagsabgeordneten bekommen, ist nichts außergewöhnliches: Das Auswärtige Amt fördert sogar explizit solche internationale Parlaments-Stipendien. Auffällig ist hingegen, dass aserbaidschanische Studenten fast immer ausgerechnet bei denjenigen Abgeordneten ihr Stipendium bekommen, die früher oder später in Verbindung mit Lobbyismus und Korruption für das Regime Aserbaidschan gebracht werden können.
Steht ein aserbaidschanischer Gehorsamkeitstest hinter fragwürdigem Abstimmungsverhalten?
Im Juli 2011 zeigt Johannes Kahrs Auffälligkeiten beim Abstimmungsverhalten im Bundestag: Während die SPD zusammen mit den Linken und den Grünen geschlossen für ein Verbot zur Lieferung von Kriegswaffen an Saudi-Arabien stimmen, ist Kahrs der einzige SPD-Abgeordnete, der von der Linie seiner Partei abweicht und dagegen stimmt.
Kahrs kann sein damaliges auffälliges Abstimmungsverhalten sicherlich nachvollziehbar erklären. Doch könnte sein Verhalten auch im Zusammenhang mit seinen Aktivitäten für Aserbaidschan stehen. Mit solch auffälligem Abstimmungsverhalten hatte Aserbaidschan offenbar immer wieder versucht, den Gehorsam seiner getreuen Lobbyisten zu testen und zu festigen und sie mit der Befolgung von Aufträgen aus Aserbaidschan vertraut zu machen.
Nicht nur Kahrs ist mit solchem abweichenden Abstimmungsverhalten auffällig geworden: Auch bei vielen anderen Abgeordneten, die im Dienste Aserbaidschans stehen oder standen, lassen sich solche Abweichungen dokumentieren. Nikolas Löbel (CDU), Olav Gutting (CDU), Egon Jüttner (CDU) oder Axel Fischer (CDU) unterhielten (oder unterhalten noch immer) sehr gute Beziehungen zu Aserbaidschan und fielen irgendwann durch auffälliges Abstimmungsverhalten im Bundestag auf.
Und noch eine Gemeinsamkeit ist festzustellen: Diese Auffälligkeiten der Freunde Aserbaidschans bei Abstimmungen markieren oftmals den Beginn der Zusammenarbeit mit Aserbaidschan.
Kahrs und das Deutsch-Aserbaidschanische Forum
Ein knappes Jahr nach seinem auffälligen Abstimmungsverhalten fliegt Kahrs zusammen mit dem ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und der Abgeordneten Helga Daub (FDP) privat nach Aserbaidschan. In einem Interview mit der regimenahen aserbaidschanischen Presseagentur AzerTac geben Daub und Kahrs später ein pro-aserbaidschanisches Bild von dem autokratischen Land ab. Daub soll damals ebenfalls im Dienste Aserbaidschan gestanden haben, wie diverse Unterlagen dokumentieren.
Daub und Kahrs haben noch eine weitere Nähe zu dem Regime in Aserbaidschan: Daub war damals stellvertretende Vorsitzende des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums. Das Forum ist ein einflussreicher Lobbyverein und ein Netzwerk, dem viele der Aserbaidschan-getreuen Abgeordneten angehören. Kahrs war damals nicht nur Mitglied in diesem berüchtigten Forum, Kahrs gehörte sogar dem Kuratorium des Deutsch-Aserbaidschanischen Forums an.
Ermittlungen wegen Aserbaidschan-Affäre und Rücktritt
Auch mit Karin Strenz (CDU) hatte Kahrs viel zu tun: In der Deutsch-Südkaukasischen Parlamentariergruppe war Kahrs anfänglich der Stellvertreter von Strenz, später übernahm er gar den Vorsitz der Gruppe.
Zudem veröffentlichten Strenz und Kahrs immer wieder gemeinsame Pressemitteilungen zugunsten von Aserbaidschan. Gegen Strenz liefen im Zusammenhang mit der Aserbaidschan-Affäre Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Bestechung von Mandatsträgern und Geldwäsche.
Im Mai 2019 reiste Kahrs zusammen mit Strenz offiziell nach Aserbaidschan. Dort kam es auch wieder einmal zu einem Treffen mit dem Präsidenten der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew. Ein halbes Jahr später, im Januar 2020, wurde im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Strenz ihre Immunität aufgehoben. Kurz darauf, Mai 2020, legte Kahrs sein Bundestagsmandat nieder und gab seine politischen Ämter auf.
Wie genau der pro-aserbaidschanische parlamentarische Fußabdruck von Kahrs aussieht, auf welche Prozesse oder Entscheidungen er also im Auftrage Aserbaidschans Einfluss als Abgeordneter genommen hat, ist im Moment noch Gegenstand weiterer investigativer Recherchen. Aserbaidschan hat seine getreuen und korrupten Lobbyisten sicherlich nicht nur dafür engagiert, um nach außen hin ein pro-aserbaidschanisches Bild abzugeben.
Kahrs’ damaliger Stipendiat steuert heute aserbaidschanische Lobbyarbeit
Aserbaidschan hat über seine getreuen Lobbyisten auch Einfluss auf Entscheidungen des Bundestages und der Regierung genommen. Kahrs war in seiner Zeit als Abgeordneter immer wieder gerngesehener Gast auf vielen pro-aserbaidschanischen Veranstaltungen in Berlin. Und Kahrs pflegte auch ein gutes Verhältnis zu dem aserbaidschanischen Botschafter in Berlin, Ramin Hasanov. Botschafter Hasanov ist heute direkter Vorgesetzter von Vugar Gafarov, der einst als aserbaidschanischer Stipendiat bei Kahrs im Büro saß.
Ende 2019 stellen die vier CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel, Olav Gutting, Eberhard Gienger und Axel E. Fischer identische parlamentarische Anfragen, mit der sie versuchen wollen, Druck zugunsten Aserbaidschans auf das deutsche Auswärtige Amt und den damaligen Außenminister Heiko Maas auszuüben. Alle vier Parlamentarier sind nicht nur für ihre Nähe zu Aserbaidschan bekannt, sie sind zuvor auch schon an anderen pro-aserbaidschanischen Aktivitäten im Bundestag beteiligt gewesen.
Die E-Mail, mit der die gemeinsame Aktion der vier Parlamentarier gestartet wurde, kam im September 2019 aus der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin: Absender war ausgerechnet der für politische und sicherheitspolitische Angelegenheiten zuständige Vugar Gafarov.