Schon Tage zuvor kündigte sich ein besonderes Naturschauspiel in Mannheim an. Abends kreisten immer mehr größere Insekten um die Laternen der Mannheimer Friedrich-Ebert-Brücke, auch um die Laternen entlang des Neckars und in den angrenzenden Straßen in der Oststadt und auch der Neckarstadt herrschte mit jedem Tag mehr nächtlicher Flugbetrieb.
Freitagnacht (29. Juli 2022) gegen 23 Uhr erreichte das Schwärmen seinen Höhepunkt, als zigtausende, wenn nicht sogar Millionen der Insekten für etwa eine halbe Stunde lang für ein imposantes Bild sorgten: In Mannheim sah es aus, als würde im Sommer Schneegestöber im Lichtkegel der Laternen niedergehen.
Es war natürlich kein Schnee zu beobachten, sondern der Hochzeitsflug des Uferaases, ein Insekt das zu der Gruppe der Eintagsfliegen zählt. Zwischen 10 und 18 Millimeter lang wird die weiße Fliege mit dem lateinischen Namen Ephoron Virgo, die auch Vergängliche Jungfrau genannt wird.
Vom Ei über die Larve zur Eintagsfliege
Wenn im Frühjahr die Temperaturen steigen, schlüpfen aus den auf dem Grund des Neckars abgelegten Eiern die Larven der Eintagsfliege. Die Larven entwickeln sich und mit Erreichen des Subimago-Stadiums gewöhnlich im August und September schwimmen die Larven dann an die Wasseroberfläche.
Im Uferbereich häuten sich die Tiere, aus der Larve wird eine Fliege. Es kommt zu einem Massenschwärmen über dem Wasser, dem Hochzeitsflug, bei dem die Weibchen im Flug begattet werden. Nach etwa einer Stunde ist das Spektakel beendet, die Tiere sterben. Bei Aufprall auf das Wasser platzen die Leibe auf und die Eier sinken ab auf den Boden des Flusses, um im nächsten Frühjahr als Larve zu schlüpfen.
Ausgestorben wegen Schmutz und Licht
Anfang der 1980er Jahre galten Uferasse in Deutschland als so gut wie ausgestorben, doch die Verbesserung der Wasserqualität der Flüsse brachte die Eintagsfliegen wieder zurück, wie Erik Opper auf Anfrage erklärt. Dem Spezialisten für Nacht- und Tagfalter sowie für Libellen sind diesjährige aktuelle Vorkommen bei Duisburg, Düsseldorf, Mainz und Heidelberg gemeldet worden – und nun sind die Fliegen auch in Mannheim wieder nachgewiesen.
Dabei ist die Wasserqualität nicht das einzige Problem, mit der die Insekten zu kämpfen haben. Auch die Verschmutzung durch Licht ist ein großes Problem. Ähnlich wie Motten werden auch die Eintagsfliegen vom Kunstlicht der Straßenlaternen magisch angezogen. Statt sich zu paaren drehen sie kräftezehrende Kreise im Lichtkegel der Laterne – bis zu Erschöpfung.
Die in Ufernähe aufgestellten und hell leuchtende Laternen ziehen dabei die Insekten nicht nur an, sie ziehen sie letztlich auch weg vom Wasser. Nach der Paarung fallen die sterbenden Insekten damit nicht zurück ins Wasser, wo ihre Eier dann im Fluss versinken sollen: Die toten Tiere landen mitsamt ihren Eiern auf der Straße. Die Natur sorgt schon für ein kurzes Leben der Eintagsfliege, der Mensch unterbricht mit der Lichtverschmutzung letztlich die Fortpflanzung der Fliegen.
Auch das war am Freitag Teil des Naturschauspiels: Statt im Wasser endete für Millionen der Eintagsfliegen der Hochzeitsflug tödlich auf der Ebert-Brücke und den angrenzenden Straßen. Die waren örtlich weiß, als hätte es geschneit.