45,6 % für den CDU-Oberbürgermeisterkandidaten Christian Specht – das ist mathematisch gesehen zwar der höchste Stimmanteil der acht Kandidaten beim ersten Wahlgang in Mannheim. Aber Specht hat damit die Wahl faktisch verloren! Denn nicht 45,6 % ist die entscheidende Zahl um die es geht, sondern 4,4 % – diese wenigen Prozentpunkte fehlten Specht am 19. Juni zur anvisierten benötigten absoluten Mehrheit.
Ein Bündnis für die absolute Mehrheit
Specht hatte schon im Januar bei der Ankündigung seiner Kandidatur auf einen Zusammenschluss mit der FDP und der Mannheimer Liste gesetzt: Die Letzteren verzichteten auf eigene Kandidaten und unterstützen somit bereits im ersten Wahlgang den CDU-Kandidaten Specht.
Die Idee, mit den Stimmen der FDP und der Mannheimer Liste bereits im ersten Wahlgang zu versuchen, die absolute Mehrheit zu erreichen, basiert auf den Erkenntnissen der letzten Oberbürgermeisterwahl von 2015: Damals schaffte es der CDU-Kandidat Peter Rosenberger bei der Stichwahl gegen den SPD-Kandidaten Peter Kurz immerhin auf knapp 45% der Stimmen. Wobei nicht nur CDU-Wähler für Rosenberger stimmten, sondern auch noch die Wähler aus dem liberalen Spektrum.
Wenn sich 2023 mit einem frühen Bündnis dieses 45%-Potential bereits im ersten Wahlgang wieder erreichen ließe und dazu noch ein paar zusätzliche Wähler für die restlichen 5% mobilisiert werden könnten, so die Idee für das frühe Bündnis, dann hätte es schon im ersten Wahlgang für die benötigte absolute Mehrheit gereicht und Specht wäre früh zum Oberbürgermeister gewählt worden – noch lange bevor irgend ein Gegenkandidat die für seinen Sieg benötigten Stimmen anderer Parteien zu einem potentiellen Gegenbündnis hätte versammeln können.
Die Wahl ist verloren
Doch Specht scheiterte mit seinem versuchten direkten Durchmarsch auf den Stuhl des Oberbürgermeisters im ersten Wahlgang – an ebenjenen 4,4 %. Das Bündnis hatte es nicht geschafft, neue Wähler zu mobilisieren, das Wahlergebnis des CDU-Bündnisses liegt 2023 nur 0,6% über dem Rosenberger-Ergebnis von 2015. Und damit dürfte die Wahl für Specht auch im zweiten Wahlgang so gut wie verloren sein.
Einen neuen unterstützenden Partner wird Specht im verbleibenden Parteienspektrum nicht mehr finden, diesen Joker hat er bereits im ersten Wahlgang ausgespielt (es sei denn, die AfD kommt noch ins Spiel). Und dass Specht keine neuen Wähler mobilisieren kann, hat er bereits im ersten Wahlgang bewiesen, als es ihm nicht gelang, diese für seine taktische Planung so entscheidende Lücke von 5% zu schließen. Das wird ihm auch nicht mehr im zweiten Wahlgang gelingen. Der Wind ist bei ihm damit raus aus den Segeln.
Auf keinen Fall Specht wählen
Und nun passiert zudem genau das, was Specht mit seinem frühen Bündnis und einem Wahlsieg im ersten Wahlgang zu verhindern versuchte: Die Grünen verzichten im zweiten Wahlgang auf einen eigenen Bewerber und laufen zum SPD-Kandidaten Thorsten Riehle über. Die Linken verzichten ebenfalls auf den zweiten Wahlgang und gehen gar noch einen Schritt weiter: Sie fordern ihre Wähler direkt auf, auf keinen Fall Specht zu wählen.
Specht ist damit so gut wie erledigt. Nicht nur, dass Riehle rechnerisch mit den zusätzlichen Stimmen von den Grünen (14%) und den Linken (5%) knapp vor Specht liegen würde. Die direkte Ablehnung von Specht auf Grund nicht gesetzter Akzente in seiner Amtszeit als Erster Bürgermeister dürfte in den letzten Tagen vor dem zweiten Wahlgang themenbestimmend werden: Er wird sich in vielen Punkten erklären müssen als vielmehr neue Akzente setzen zu können. Specht ist in die Defensive gedrängt, aus der er sich kaum mehr befreien kann.
Dein Mannheim kann mehr
Dabei hat Specht den K.O.-Schlag der Linken selbst zu verantworten – Specht selber lieferte im Wahlkampf eine grandiose Steilvorlage, die die Linken erkannten und für ihre Wahlempfehlung verwendeten: Nämlich mit seinem Wahlkampfslogan „Dein Mannheim kann mehr“. Mit dem versucht der oftmals schlecht fotografierte und unterbelichtete Christian Specht, seine Wähler zu erreichen.
Sein Slogan ist dabei nicht nur ein inhaltsloser Wahlslogan, sondern kann auch als eine Bankrotterklärung des Christian Specht an seine eigene Arbeit und Leistung als Erster Bürgermeister verstanden werden – denn wenn Mannheim mehr kann, dann lief es in der Vergangenheit unter Specht nicht gut im Rathaus. Wer sich im Hochsommer zudem etwas unpassend noch immer in Winterkleidung präsentiert, vermittelt genau diesen Eindruck, dass etwas nicht stimmt.
Dabei scheint es insgesamt so, als ob Specht angetreten ist, um die Wahl zu verlieren: Die Texter seiner Kampagne müssen einen Vogel gehabt haben, den fragwürdigen Bürgermeister Specht mit diesem Slogan ins Rennen zu schicken – Specht kann mit diesem Slogan nur verlieren, denn letztlich wird er mit diesem Slogan an seinen vergangenen Fehlern bewertet und nicht an seinen zukünftigen Visionen.
Turley, Löbel, Gehwegparken….
Zu viel lief tatsächlich schief in seinen Dezernaten, seit er ab 2005 Bürgermeister und später Erster Bürgermeister in Mannheim war: Unternehmen zahlten über Jahre hinweg nicht ordnungsgemäß ihre Gewerbesteuer, die Specht jetzt aus der Insolvenzmasse einiger Unternehmen noch zu retten versucht. Auch organisatorischen Versäumnisse, die zur Schließung des Fahrlachtunnels führten, hat teilweise auch Specht zu verantworten. Und Ministerien und Gerichte müssen Specht die einfachsten Verkehrsregeln erklären, etwa die vom Gehwegparken.
Und auch bei der Havarie eines Chemiecontainers im Mannheimer Hafen im August letzten Jahres bewies Specht, wie wenig er von Sicherheit und Ordnung versteht: Als schlechtes Vorbild suchte Specht nach dem Sirenenalarm nicht sofort geschlossene Räume auf, sondern gab noch Stunden später in der Gefahrenzone unter freiem Himmel Interviews. Auch bei der Rücknahme der Gefahrenwarnung bewies Specht Unfähigkeit: Die erfolgte erst am nächsten Tag, als Mannheim schon längst wieder zur Normalität zurückgekehrt war.
Und dann wäre da noch die CDU und ihrer Affäre um den ehemaligen Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel, die nie komplett aufgearbeitet wurde. Dass sich Specht von Löbel nach der Maskenaffäre damals distanzierte, ist die eine Sache. Dass er ihn aber noch bis kurz vor Bekanntwerden seiner Affären hochlobend unterstützte, verfolgt Specht noch heute: Die Jahre der Zusammenarbeit mit Löbel bezeichnete Specht noch Ende 2020 “als die erfolgreichsten meiner Zeit, auch als Erster Bürgermeister” (Die kurze Rede von Specht beginnt bei 1.45 Minuten).
Löbel ist zwar längst Geschichte, doch Freunde Löbels, mit denen er zusammen als Lobbyist damals die Interessen Aserbaidschan im Bundestag vertrat und außerparlamentarisch politisch brisante Reisen nach Albanien und Saudi Arabien unternahm, gehen heute noch bei der Mannheimer CDU ein und aus: Olav Gutting hielt letzte Woche bei der CDU in Mannheim einen Vortrag, in Mitten der heißen Wahlkampfphase von Specht, für die reichlich Werbung gemacht wurde.
Dass neben einigen wenigen Offiziellen keine fünf Bürger sich für die CDU-Veranstaltung interessierten, spiegelt die Unfähigkeit der CDU und auch von Specht wider, auch nach dem ersten Wahlgang in Mannheim Menschen für die Politik und die Oberbürgermeisterwahl mobilisieren zu können.
Das Ordnungsamt als Spechts Freund und Helfer
„Lernen Sie mich kennen“, stand im Januar noch auf Spechts Wahlplakaten. Das kann als eine freundliche Einladung oder aber auch als eine versteckte Drohung verstanden werden, um später einmal seine Macht zu demonstrieren. Dass er damit vielmehr die Drohung gemeint hatte, zeigte sich bereits einen Tag nach der Präsentation seiner Kandidatur – sein erstes Wahlplakat hing bereits dort, wo es nicht hängen durfte.
Kurz vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang macht Specht nunmehr seine versteckte Drohung offen und flächendeckend wahr, die Mannheimer lernen gerade die hässliche Seite von Specht kennen: Denn kurz vor dem Finale und im Hinblick auf die nicht erreichten Wähler plakatiert er die Stadt in panischer Weise mit seinen Wahlplakaten zu – und zwar überall dort, wo die Plakate nicht hängen dürfen.
Specht kann sich diesbezüglich auf die Hilfe seiner Ortspolizei verlassen: Spechts Dezernat Sicherheit und Ordnung stellt bei anderen Parteien unter Strafandrohung schon mal persönlich behördliche Aufforderungen zum Entfernen von widerrechtlich aufgehängten Wahlplakaten zu, bevorzugt in frühen Morgenstunden am Wochenende. Ob die Behörde in selber Art und Weise gegen die unzähligen widerrechtlich aufgehängten Plakate ihres eigenen Chefs vorgeht, darf zu Recht bezweifelt werden.
Riehle entlarvt Specht
Spechts Konkurrent Riehle war so schlau, als direkte Antwort auf Spechts jüngste Plakataktion seine Wahlplakate demonstrativ unter die widerrechtlich aufgehängten Plakate von Specht zu hängen. Das ist zwar ebensowenig zulässig, bringt Specht aber ganz gewaltig in Bedrängnis: Denn abmahnen oder abhängen lassen kann Spechts Behörde die SPD-Plakate wegen der eigenen zuvor schon widerrechtlich gehängten CDU-Plakate nicht mehr, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben.
Statt dessen ist Specht entlarvt, das hat Riehle mit der Gegenaktion bewiesen: Für das Aushebeln der Plakatierungsrichtlinie ist alleine Specht verantwortlich, den Vorwurf von anarchischen Zuständen muss Specht sich als oberster Dienstherr für Sicherheit und Ordnung gefallen lassen.
Mit Innenminister Thomas Strobel machte Specht noch im Mai zusammen medienwirksamen Wahlkampf zu dem für Specht “besonderen Thema” Sicherheit. Nur wenige Wochen später beweist Specht mit seiner Plakatierungsaktion, dass er es mit der Sicherheit und Ordnung selber nicht so genau nimmt: Das Thema Sicherheit ist aus Spechts Programm zudem verschwunden – “Dein Mannheim kann mehr – Sicherheit” gibt es nicht mehr, Specht selber ist zum Problemfall seines eigenen Dezernates Sicherheit und Ordnung geworden. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Richtlinien und Vorschriften für andere gelten sollen, nicht aber für Specht oder sein Dezernat.
Es sind also weniger die nicht gesetzten Akzente als vielmehr auch der Umgang mit den demokratischen Werten, mit der die Wahlempfehlung, auf keinen Fall Specht zu wählen, begründet werden kann. Am 9. Juli wählen zu gehen, ist unter diesen Aspekten oberste Bürgerpflicht.