Auf Turley klicken die Handschellen

Als sollten Schaulustige vertrieben werden, prangert der Schriftzug „Was guckst du?!“ auf dem heruntergelassenem Rolladen von Dens Salon, einem Barber und Tattoo-Studio in der Waldhofstraße in Mannheims Neckarstadt-West. „Gehst du weiter!“, fordert ein anderer Schriftzug auf und liefert auch gleich die Begründung: „Ist zu!“ Dens Salon ist tatsächlich seit Dienstag, den 24. September 2024 geschlossen.

Der weitere Hinweis „Komm morgen ohne Termin“ dürfte aber nicht mehr aktuell sein, denn der Salon wird wahrscheinlich für längere Zeit, vielleicht auch dauerhaft, geschlossen bleiben. Geschlossen bleibt wohl auch Dens Gym, ein Fitnessstudio und Kampfsportzentrum in der Voltastraße in Mannheim-Neckarau. Und auch weitere Firmen und Betriebe des Denis Schultais werden wahrscheinlich schließen. Der sitzt seit jenem Dienstag in Untersuchungshaft.

Ermittlungen gegen Schleuserbande

Die Behörden ermittelten schon längere Zeit verdeckt gegen eine siebenköpfige Schleuserbande, die Leiharbeiter aus vorderasiatischen und kaukasischen Ländern nach Deutschland gebracht und ausgebeutet haben soll. Die Leiharbeiter sollen hier letztlich illegal und zu niedrigsten Löhnen, hauptsächlich in der Baubranche, gearbeitet haben.

Seit Dienstag 24. September 2024 sind die Ermittlungen nunmehr in die offene Phase gegangen, wie Jörg Martienßen, Erster Polizeihauptkommissar bei der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt, mitteilt: An diesem Tag gingen um 6 Uhr morgens mehr als 400 Polizei- und Zollbeamte in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit 24 Durchsuchungsbefehlen gegen die organisierte Schleuserbande vor.

Schnelle Haftbefehle auf Turley

Schwerpunkt der Aktion war nach Martienßens Auskunft Mannheim. Und in Mannheim dürften die Behörden auf dem ehemaligen Turley-Areal in der Neckarstadt-Ost zahlenmäßig die meisten Objekte durchsucht haben. Hier befindet sich nicht nur die Wohnanschrift des Denis Schultais, in unmittelbarer Nähe befindet sich ein weiteres Büro von ihm sowie zwei Gebäude, die sich im Besitz seiner Firmen befinden: Alles wurde gründlich durchsucht, so Martienßen.

Vier Haftbefehle wurden im Zusammenhang mit den Durchsuchungen an jenem Dienstag vollstreckt. Denis Schultais wurde auf Turley verhaftet und um 13 Uhr zum ersten der vier Hafttermine am Amtsgericht Mannheim einem Haftrichter vorgeführt. Der Haftrichter bestätigte, dass der Haftbefehl gegen Schultais weiter Bestand habe und begründete dies mit Flucht- und Verdunkelungsgefahr Seitdem sitzt Schultais in einer Justizvollzugsanstalten in Untersuchungshaft.

Und Schultais wird voraussichtlich nicht nur bis zu seinem bisher noch nicht terminierten Prozess in Untersuchungshaft bleiben, sondern darüber hinaus wahrscheinlich auch eine längere Haftstrafe absitzen müssen, wie vertrauliche Quellen nach den Durchsuchungen berichten: Neben der Schleusertätigkeit soll Schultais auch für Urkundenfälschung und Sozialbetrug verantwortlich sein, entsprechende Dokumente sollen gefunden worden sein. Dennoch gilt für ihn wie für alle anderen auch zunächst die Unschuldsvermutung, bis es ein rechtskräftiges Urteil gibt.

Ausbeutung und auffälliger Wohlstand

Die polizeilichen Ermittlungen in Mannheim konzentrieren sich auf die M&A GmbH, die angeblich in der Innenstadt in E3 gemeldet sein soll. Doch dort findet sich die Firma nicht. Im Zentrum der Ermittlungen standen ebenfalls die beiden in der Voltastraße angesiedelten Schultais-Firmen Detempo GmbH und Schultais GmbH. Alle drei Firmen sind gemäß Geschäftszweck oder Eigenwerbung in der Leiharbeiterbranche oder Personalvermittlung tätig.

Der mit der Schleusertätigkeit und der Ausbeutung der Arbeiter erwirtschaftete Gewinn verblieb bei den Schleusern, die in einem „auffälligen und scheinbaren Wohlstand“ lebten, wie ein Beteiligter der Durchsuchungen vom 24. September berichtet. Der spricht nach den Durchsuchungen gar von „unermesslichem Protz.“

Millionenvermögen und die Frage der Herkunft

Denis Schultais bewohnt nicht nur eine der exklusivsten Wohnungen auf Turley und fährt eine PS-starke Mercedes G-Klasse, der in der einfachsten Ausführung bereits einen sechsstelligen Betrag kostet. Auch die Ausstattung seines Fitnessstudios sowie seines Barber-Shops lässt keine Wünsche übrig.

Und wenn entsprechende Gerüchte stimmen, dann soll Denis Schultais mit dem gescheiterten Turley-Investor Tom Bock noch vor dessen Insolvenz und den Zwangsversteigerungen seiner Immobilien über den Ankauf des Sullivan-Gebäudes verhandelt haben. Schultais soll bereit gewesen sein, 18 Millionen Euro für die Immobilie zu bezahlen. Doch der Deal kam nicht zustande.

Woher das viele Geld bei Schultais tatsächlich stammt, mit dem Denis Schultais Sullivan finanziert hätte oder seinen Lebensstil finanziert, werden die Behörden klären.

Vom Nachtclub über das Baugewerbe zur Schleuserbande

Denis Schultais bezeichnet Kasachstan als Heimat und ist noch keine 30 Jahre alt, als er als Inhaber des VIP Clubs in Schwetzingen und als Geschäftsführer des Mannheimer Club Voyage, zwei exklusive Tanz- und Nachtclubs, in Erscheinung tritt. Im Januar 2017 verkündet Schultais das Ende der Event-Locations, er werde seine Kraft und Zeit in „andere Projekte investieren“, wie es damals hieß.

Wenige Monate später gründet er die Detempo GmbH, deren Tätigkeiten so ziemlich alle gemäß der Handwerksordnung zulassungsfreien handwerksähnlichen Baugewerbe beinhalten. Im Jahre 2020 kommt noch die Schultais GmbH zur Personalvermittlung und gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hinzu.

Außer der Sanierung der alten Eichbaum Brauerei im Stadtteil Wohlgelegen im Jahre 2021 sind keine größeren Bauaktivitäten bei der Detempo-Baufirma dokumentiert. Möglicherweise hat die Schultais GmbH für den Umbau der Brauerei bereits illegal arbeitendes Personal an die eigene Detempo-Firma vermittelt, immerhin ist sie bei der Sanierung ebenfalls im Geschäft gewesen.

Statt Bauaktivität rückt bei der Detempo die Leiharbeiterbranche immer mehr in den Fokus des Unternehmens: Vom Baugewerbe entwickelte sich die Detempo GmbH langsam zu einer Firma, die sich auf Personalvermittlung spezialisiert.

Auch nach außen hin tritt die Detempo GmbH schon bald nicht mehr als Baufirma, sondern als Personalvermittlungsfirma auf, wie den Werbeslogans auf den Fahrzeugen der Detempo GmbH zu entnehmen ist. Offenbar war die Vermittlung von eingeschleustem und illegal arbeitenden Personal irgendwann lukrativer als sich im hart umkämpften Baugewerbe zu versuchen.

Einstieg ins Kampfsportgeschäft

Es klingt nach Großzügigkeit, wenn es heißt, dass die Schultais GmbH den hochqualifizierten Leiharbeitern einen „Zeitarbeitsplatz in anderen Unternehmen ermöglichen möchte.“ Dabei ist die Schultais GmbH tatsächlich großzügig, zumindest den Kindern des Firmengründers gegenüber: Die Schultais GmbH tritt im Jahre 2021 zusammen mit der Detempo GmbH als Trikotsponsor beim VfR Mannheim auf und unterstützt die Jugendmannschaft, in der Schultais’ Sohn damals spielte.

Bereits ein Jahr später ist die Schultais GmbH einmal mehr im Sportgeschäft tätig: Dens Gym eröffnet in der Voltastraße. Gemäß Impressum ist das exklusive Fitnessstudio und Kampfsportzentrum Dens Gym bei der Schultais GmbH angesiedelt, obwohl sie gemäß Gesellschaftervertrag eigentlich im Baugewerbe tätig ist.

Ist Denis ein schlechter Mensch?

Rezensionen werden bei Google nicht überprüft, dennoch lohnt sich bisweilen ein Blick darauf. Bei den Schultais-Firmen fällt die hohe Anzahl der überwiegend positiven Bewertungen dann doch negativ auf. Die wirken in vielen Punkten nicht authentisch und könnten vielmehr manipuliert sein. Auffallend viele Kunden lassen sich zuerst von der Detempo Solaranlagen montieren, dieselben Personen gehen dann in Dens Gym trainieren, lassen sich in Dens Salon frisieren und bewerten am Ende des Tages alles drei Unternehmen lobend positiv.

Für die Schultais GmbH stellte jemand bei Google eine Frage, die vielmehr eine Bewertung darstellt. Demnach soll Denis ein schlechter Mensch sein, weil der Fragende angeblich sein Gehalt nicht erhielt. Auch hier bleiben viele Fragen offen, und doch passt die bei Google gestellte Frage irgendwie ins Bild.

Behörden schreiten gegen Willkür ein

Auf der einen Seite steht ein gewisser Reichtum mit damit verbundenen finanziellen Möglichkeiten, auf der anderen Seite ermitteln die Behörden gegen Denis Schultais und seine Firmen wegen systematischen Betrug und Ausbeutung. Es wäre nicht das erste Mal, dass Denis Schultais sich gegen Bestimmungen großzügig hinwegsetzt, als würden sie nicht für ihn gelten.

Aus der Insolvenzmasse des Turley-Investors Tom Bock erwarb Denis Schultais über seine Firmen unter anderem die denkmalgeschützte Centre-Immobilie, an die Bock einst noch einen modernen Anbau plante und den Rohbau erstellte. Mit der Insolvenz von Bock aber konnte der Anbau nicht fertiggestellt werden, die Behörden erließen kurz nach der Insolvenz eine Rückbauverfügung für den noch nicht fertig gestellten Anbau.

Den Anbau an das denkmalgeschützte Haus nutzte Schultais schon lange Zeit vor der Zwangsversteigerung als sein privates Parkaus für seinen Mercedes, dafür ließ er sogar eine nicht genehmigte Zufahrtsrampe errichten. Lange Zeit sah es so aus, als ob Schultais bei der Zwangsversteigerung die Immobilie und insbesondere den Anbau nur erwarb, um dort seinen Fuhrpark weiterhin unterzustellen. Das änderte sich aber, als die Baubehörden vorstellig wurden und die Rückbauverfügung durchsetzten. Mittlerweile wird der Anbau zurückgebaut.

Ohne Baugenehmigung und ohne Zustimmung des Denkmalamtes begann Schultais zudem, das Centre-Gebäude großzügig umzubauen. Auch hiergegen schritten die Behörden ein, statt Baufortschritt gab es erst einmal Baurückschritt – Schultais musste den ursprüngliche Zustand der Immobilie wieder herstellen.

Ausverkauf bei Schultais

Der Höhenflug des Denis Schultais scheint seit einiger Zeit vorbei zu sein. Als es ab 2022 zu den Zwangsversteigerungen von Tom Bocks Turley-Immobilien kommt, wird auch das Sullivan-Objekt versteigert – jenes, für das Denis Schultais nach nicht bestätigten Angaben einst 18 Millionen Euro zahlen wollte. Der vom Insolvenzgericht bestellte Gutachter taxierte die Immobilie auf 15 Millionen Euro. Als die aber am 20. Oktober 2022 für nur 10 Millionen Euro versteigert wird, bietet Schultais nicht mit, obwohl er an der Versteigerung anwesend ist. Das Objekt wird letztlich nach Frankfurt verkauft.

Vielleicht konnte er auch schon nicht mehr mitbieten, vielleicht hatte er schon nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten. Er erwarb statt dessen bei späteren Versteigerungen besagtes Centre-Gebäude sowie auch die Kapelle. Der Kaufpreis für beide Objekte lag zusammen bei etwa einer Million Euro.

Im Jahre 2024 stellte sich zudem noch eine weitere Entwicklung bei den Schultais-Firmen ein: Ratingagenturen stuften die Bonität der Schultais-Firmen als schwierig ein, Branchenkenner sehen hinter den negativen Bewertungen gar eine mögliche, bevorstehende Insolvenz.

Die könnte nach den jüngsten Entwicklungen mit den Durchsuchungen, Betrugsvorwürfen und der Untersuchungshaft des Denis Schultais noch schneller kommen, als manche gedacht haben. Der Ausverkauf bei Schultais soll angeblich bereits begonnen haben.

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